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Weisheit

Stille

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Stille

Das Jahr 2017 hat für mich sehr herausfordernd begonnen. Neben meinem normalen Leben (bestehend aus Arbeit, Praxis, Kursen, Partnerschaft, Projekten, "Privatleben" u.a.) musste ich die Komplettsanierung einer Wohnung betreuen. Dies bedeutete für mich ganz real vor meinem normalen Arbeitsbeginn morgens auf die Baustelle fahren, die Fortschritte begutachten, die Katastrophen diskutieren, Materialentscheidungen treffen, gute Stimmung ausstrahlen, Zuversicht fühlen und vor allem eins: mich nicht von der Überforderung überrollen lassen.

Inmitten dieser Zeit schickte mir mein Partner eine pdf-Datei. Er designt "bookcovers" oder zu deutsch "Buchumschläge". Bevor er sich an das Design eines Buches oder einer Serie macht, liest er das Buch. Das Buch handelt über "Stille" (Erling Kagge, Stille, Inselverlag, ISBN 9783458177241) und ich begann es sehr berühert zu lesen. Mein Leben im außen hatte gerade eher null stille Momente und innerlich fühlte ich mich mit all den zusätzlichen Aufgaben, die eine Komplettsanierung mit sich bringt, eher an der Grenze der permanenten Überforderung. Stille in mir? Wo?

Nach einigen Seiten begann ich das Buch in meinem Lieblingscafé in Friedenau zu lesen, meist auf dem Weg von der Baustelle in die Praxis bei einem kleinen Café. Ein Café in der Hauptstadt ist am frühen Morgen nicht still und der kurze Moment von einem Termin zum anderen äußerlich auch nicht, aber etwas in mir begann wieder stiller zu werden. Nicht so still wie bei einer Klostereinkehr, aber einfach stiller als vorher. Nach drei Monaten war Wohnung termingerecht saniert und neu vermietet, die zusätzliche Belastung im Alltag ebbte ab und es wurde wieder "ruhiger" oder soll ich sagen "stiller" in meinem Leben.

Rückblickend war diese Phase eine sehr gute Erfahrung für mich, wenn die Termine im Alltag so dicht gereiht sind, kann der Geist noch aktiver und unruhiger werden oder auch einfach nur stiller. Denn es ist kaum noch Platz für überflüssige Gedanken und das permanente "Geschwätz" im Kopf, die Fokussierung auf das Wesentliche treibt einen voran und es können Momente von Stille und Leere im Chaos entstehen. Und wenn es noch stiller wird, dann öffnet sich vielleicht eine kleine Tür, aus der neue Gedanken strömen, die das bisherige in Frage stellen, wie "muss das Leben so sein?". Ideen und Einfälle können auftauchen, die uns vorantreiben und nach anderen Wegen oder Lösungen suchen lassen. Dies kann dann eine Inspiration und Veränderung zur Folge haben, die unser Dasein positiv verändert.

Wenn die Gefühle von Stress uns übermannen, kann sich neben den starken Anforderungen von außen meist schwer Stille in uns einstellen. Da gibt es immer wieder Stimmen in uns, die uns Vorträge halten, die unsere Angst, unsere Wut, unsere Befürchtungen u.a. Gefühle wiederspiegeln. Dies ist dann der eigentliche Stress.

Stress ist nicht nur ein Faktor das es zuviele Anforderungen in unserem Leben gibt, sondern auch wie wir darauf gefühlsmäßig reagieren. Lösen die Anforderungen Gefühle von Freude, Selbstvertrauen, Tatkraft in uns aus, erleben wir solche Zeiten als herausfordernd, aber nicht als Stress. Sicherlich sind wir am Ende auch erschöpft, aber die Freude über das Ergebnis, das wir erreicht haben ist stärker und trägt uns weiter.

Seit vielen Jahren biete ich Kurse aus dem System des Universal Healing TAOs nach Großmeister Mantak Chia an. Bei diesen Übungen und Meditationen geht es um eine Form der Stressbewältigung. Um Stress zu bewältigen, muss ich vor allem herausfinden, wie sich Stress in meinem Körper und Geist anfühlt. Ich muss lernen mir zuzuhören und Signale zu erkennen, wenn ich beginne aus der Balance zu geraten. Wenn ich Stress immer erst merke wenn ich schon aus der Balance geraten bin, ist es zu spät, so geraten wir in den Zustand des burn-out.

In seinem Buch "Stille" schreibt "Erling Kagge" über ganz normale Momente in seinem Leben, wo Stille im Chaos, im Lärm, im Lautsein unserer ganz normalen Welt sein kann. Er schreibt davon, dass wir alle den Südpol in uns finden können. Ich wünsche Ihnen auf dem Weg zu Ihrem persönlichen inneren Südpol viele Einsichten und Erkenntnisse.

Erling Kagge, STILLE, Inselverlag, ISBN 9783458177241

 

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Intimität

Vor kurzem verbrachte ich einige Tage in einem christlichen Kloster. Ich kenne diesen Ort schon viele Jahre und genieße es immer sehr, wenn ich dem lauten Alltag in Berlin entkommen und in die Stille des Klosters eintauchen kann.

Auch dieses Mal bin ich in die Bücherstube geschlendert und habe mir die ausliegenden Bücher angeschaut. Eines sprang mir sofort in die Augen, mit dem Titel "Intimität". Etwas belustigt so einen Titel im Kloster zu finden, begann ich aufmerksam darin zu lesen. Und es überraschte mich erneut, das der Autor vor allem von Intimität zu sich selbst schrieb, die eine Nähe zu anderen oder auch im Glauben möglich macht.

In meiner Arbeit mit Patienten erlebe ich sehr oft diese fast "intimen" Momente, wo sie auf dem Weg der Heilung dichter zu sich selbst finden, zu einer inneren Wahrheit, oder auch zu einer inneren Ehrlichkeit zu sich selbst. Und diese Intimität mit sich selbst sind sehr berührende und wahrhaftige Momente. Gerade gestern sagte eine langjährige Patientin zu mir, das sie nie geglaubt hätte, wieviel Facetten und Schichten in ihr zur Heilung und zum Vorschein kommen würden. Sie hätte nicht gedacht, als sie die Behandlung begann, das sie auf eine lange tiefe Reise zu sich selbst geht.

Diese Intimität zu sich selbst bedeutet auch Mut Neues zu entdecken und auch Seiten an sich kennenzulernen, die man nicht so lieb hat. Durch Krankheiten werden wir von unserer Körpergeistseele indirekt aufgefordert wieder etwas näher an uns heranzurücken und einen neuen Aspekt von uns kennen und lieben zu lernen. Wenn wir lernen dürfen hinzuhorchen kann Heilung entstehen. Dann kann Krankheit ein Geschenk werden, weil es uns auf unserem Weg weiterbringt und einen Erkenntnisgewinn darstellt.

Ich wünsche Ihnen viele solcher intimen Momente mit sich und Anderen.

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